analog talks mit paddy (@paddyjw)
Ein Interview, welches eigentlich keines war. Im Gespräch - das trifft es nämlich viel besser - mit Paddy (@paddyjw) sind wir tief in die Welt der analogen Fotografie eingetaucht und haben uns irgendwo zwischen großen Errungenschaften und kleinen Missgeschicken verloren. Wir sind zwischendrin komplett vom Thema abgekommen, haben gelacht und uns über die hohen Filmpreise geärgert. Am Ende war das Interview nicht nur viel länger als geplant, sondern auch deutlich spannender. Müsste man Paddy (und sein Profil) in einem Wort beschreiben, wäre es vermutlich vielfältig. In Wales geboren, lebte er bereits in Hamburg, Marburg und Berlin. Inzwischen nennt er Schwerin sein Zuhause. Dieser bunte Background spiegelt sich in seinen Motiven wider. Neben Reiseaufnahmen weiß er wie kein zweiter die Schönheit seiner direkten Umgebung einzufangen. Dabei wechselt er zwischen Cinestill, Kodak und seinem liebsten Schwarzweißfilm. Vielfältig eben. Was uns an Paddy nachhaltig begeistert hat, ist seine offene und neugierige Art. Leider mussten wir das Interview kürzen, die Erinnerung an einen tollen Abend bleibt. Vielen Dank, Paddy.
hi! stell dich gerne vor und erzähl uns, wie du zur analogen fotografie gekommen bist.
patrick smith
Hey! Ich bin Patrick, aber alle nennen mich Paddy, und inzwischen 38 Jahre alt. Ich komme ursprünglich aus Hamburg, habe lange Zeit in Berlin gelebt und bin vor kurzem nach Schwerin gezogen. Geboren bin ich in Großbritannien. Ich fotografiere schon sehr, sehr lange - ich habe tatsächlich schon als Kind angefangen. Mit 18 oder 19 Jahren hatte ich dann meine erste eigene digitale Kamera, eine Nikon Spiegelreflex. Die analoge Fotografie begleitet mich noch nicht ganz so lange. Vor sechs Jahren haben ein Kumpel und ich einen Roadtrip entlang der Ostküste der USA gemacht - New York, Boston, Washington. Er hat damals mit seiner Nikon F3 analog fotografiert. Natürlich kannte ich die analoge Fotografie aus meiner Teenagerzeit, als es noch überall Filme zu kaufen gab. Aber bei ihm habe ich dann gesehen, wie es vernünftig geht. Als Andenken hat er mir ein paar Abzüge geschenkt. Da war ich dann so fasziniert, dass mir klar wurde - das muss ich auch ausprobieren! Daraufhin habe ich mir eine Minolta XD 7 gekauft. Und weil ich schon beim digitalen Fotografieren gerne manuelle Einstellung genutzt habe, bin ich auch mit der Minolta schnell warm geworden. Ihr kennt es, am Anfang will man irgendwie alles ausprobieren, alle Filme. Und dann irgendwann merkt man, was einem wirklich gefällt. Über die Zeit wurde es immer weniger digital und immer mehr Film. Also ja, inzwischen fotografiere ich zu 99% analog und die digitale Kamera wird dann zu Familienfeiern ausgepackt.
das heißt, wenn wir dich jetzt fragen würden: Für immer digital oder analog - dann würdest du dich für analog entscheiden?
Auf jeden Fall!
einfache frage also.
Ja, definitiv. Ich mag dieses Langsame, Bewusste - mehr Zeit investieren in das Foto. Ich merke es immer, wenn ich mit meiner digitalen Kamera losziehe, da mache ich 30 Bilder von einem Motiv. Ich könnte ja hier und dort noch die Komposition anpassen, dies und jenes besser machen. Mit Film hingegen machst du ein Foto, vielleicht zwei. Und wenn es nichts geworden ist, dann ist es halt so. Mir geht es vor allem um den Prozess und das finde ich so schön. Man ist eh schon so viel digital unterwegs, am Computer auf der Arbeit, am Smartphone, Social Media. Dann hingegen langsamer zu machen, ohne Bildschirm rauszugehen und zu fotografieren - das gibt mir unendlich viel. Das ist bei euch bestimmt genauso.
ja, definitiv. es verändert die art und weise, wie man an motive herangeht. wie würdest du denn deinen fotografischen stil beschreiben?
Ich bin der Meinung, man lernt nie aus. Das wird mir immer wieder bewusst, man entwickelt sich immer weiter. Ich glaube einen eigenen fotografischen Stil zu finden, ist relativ schwer. Man wird so viel von außen beeinflusst - im positiven wie negativen. In der analogen bubble ist es schon so, dass ähnliche Motive fotografiert werden. Da versuche ich etwas auszubrechen, meinen Weg zu finden. So schön ich es zum Beispiel auch finde zusammen auf photowalks zu gehen und mich mit anderen Leuten zu connecten - ich gehen vor allem auch sehr gerne einfach alleine mit meiner Kamera los. Ich suche mir eine Gegend aus, wo ich noch nicht war oder die vielversprechend aussieht. In Berlin habe ich immer versucht Locations zu finden, die noch nicht so oft fotografiert worden sind, was da wirklich schwer war (lacht). Ich bin noch auf der Suche nach meiner eigenen Bildsprache, die wechselt auch immer mal. Manchmal habe ich Lust nachts loszuziehen, im Dunkeln bei Regen. Ein schönes Motiv zur Golden Hour im Sommer lasse ich mir natürlich auch nicht entgehen. Genauso liebe ich auch die Schwarzweißfotografie. Abstrakte Szenen mit Licht und Schatten. Ich versuche immer einen eigenen Blickwinkel einzunehmen, lasse mich aber auch sehr gerne von Vorbildern inspirieren. Ich habe inzwischen eine gute Sammlung an Fotobüchern, die schaue ich mir immer wieder gerne an.
wo du gerade vorbilder gesagt hast - wer sind deine?
Puh, um mal zwei, drei zu nennen. Auf jeden Fall Joel Meyerowitz, den finde ich sehr inspirierend. Außerdem Todd Hido und seine Landschaftsaufnahmen und urbanen Szenen bei Nacht, die kennt ihr bestimmt. Alec Soth ist ebenfalls eine große Inspiration für mich. Die drei, aber es gibt noch viele mehr, die ich aufzählen könnte. Na ja und dann gibt es so viele Leute online. Was street photography angeht, fand ich immer schon Daniel Arnold (@arnold_daniel) und Andre D. Wagner (@photodre) aus New York richtig cool. Und natürlich alle meine Freunde bei Instagram (lacht). Es gibt einfach viele gute und talentierte Fotografinnen und Fotografen auf Instagram, allein im analogen Bereich. Beispielsweise Willem Verbeeck (@willemverb) in den USA oder Anton Hangschlitt (@hangschlitt) in Berlin mit seinen krassen U-Bahn Aufnahmen. Marius Vogler (@marius_vogler) mit den Lappland Bildern. Phil Reekers (@philshoopsphilm) hat auch so ein gutes Auge! Um nur mal ein paar zu nennen. Vorbilder habe ich eher offline, aber Inspiration gibt es sehr sehr viel online.
kommen wir kurz zurück zum Anfang. kannst du uns mehr über deine beziehung zu großbritannien und wales erzählen?
Ja, gerne. Ich selbst bin in Großbritannien geboren, mein Vater ist Waliser und lebt inzwischen auch wieder dort - außerhalb von Cardiff auf dem Land. Aufgrund dessen war und bin ich auch heute noch oft dort. Ein, zwei Mal im Jahr, auch mal länger. Immer wenn ich hinfahre, besuche ich meine Familie. Ich bin dann an der Küste oder gehe in die Berge zum Wandern. Aber dann sehe ich immer die gleichen Ecken, das restliche Land kannte ich gar nicht so richtig. Irgendwann habe ich dann aber zu meiner Freundin gesagt, lass uns doch mal einen Roadtrip machen. Zusammen mit einem befreundeten Paar sind wir dann die gesamte walisische Küste entlang gefahren. Da waren dann Orte, die ich noch nicht kannte oder nur mal als Kind gesehen habe, ewig lange her. Das war richtig schön. Wales kann ich jedem Fotografen nur empfehlen, da ist noch nicht so viel los wie in Schottland oder Irland, eher unentdeckt. Trotzdem ist die Landschaft ähnlich schön. Die lange Küste, West und North Wales, herrlich. In der Mitte dann die Berge. Da habe ich dann richtig viel fotografiert, bestimmt an die 15 Filme in zwei Wochen. Im November dann fast nur schwarzweiß, weil es viel geregnet hat. Das hat auch seinen Charme.
du besuchst familie in wales, kannst dich aber auch fotografisch ausleben. wie ist das für dich?
Das ist schon etwas Besonderes. Wo wir gerade beim Thema sind, ich verfolge ein persönliches Langzeitprojekt, Wales fotografisch festzuhalten. Irgendwann möchte ich dazu etwas veröffentlichen - in welcher Form das dann sein wird, steht noch nicht ganz fest. Das ist eine absolute Herzenssache, auch durch meine Familie, die dort noch wohnt. Ich mag das Land, die Landschaft, die Leute. Ich habe bisher immer sehr viel Landschaft fotografiert, eigentlich würde ich gerne noch mehr Menschen fotografieren. Die Waliser sind super entspannt, super nett. Ich bin da aber noch etwas schüchtern, das kostet natürlich Überwindung.
wir drücken dir die daumen, dass du das auch noch schaffst - die gesichter des landes einzufangen.
Ja, deswegen dauert das mit meinem Projekt vermutlich noch etwas, ein, vielleicht zwei Jahre. Das ist definitiv etwas, was ich gerne mehr machen würde: Mehr Menschen fotografieren! Einfach interessante Menschen auf der Straße anzusprechen. Das ist ein persönliches Ziel von mir.
das ist ein sehr schöner vorsatz. hast du noch andere pläne was die fotografie angeht?
Ich möchte auf jeden Fall mehr Menschen fotografieren. Einfach mal etwas anderes machen, als was man sonst alltäglich fotografiert. Aber das habe ich ja schon erwähnt. Davon abgesehen .. Ich fotografiere liebend gerne 35mm, einfach weil es so praktisch ist. Du hast eine kleine Kamera, kannst sehr schnell Momente festhalten. In Zukunft möchte ich mich gerne mehr an das Thema Mittelformat herantrauen, da habe ich mir bereits im vergangenen Sommer eine Yashica Mat 124 gekauft. Das ist noch eine andere Art des Fotografierens, man ist viel häufiger mit einem Stativ unterwegs. Außerdem würde ich mich gerne noch mehr auf die Schwarzweißfotografie konzentrieren, mich da weiterentwickeln und experimentieren.
Was Reiseziele angeht steht für mich als nächstes eine Reise nach Neapel an - da will ich mich mehr mit der Street Photography beschäftigen. Ein weiterer Traum wäre eine Reise an die Westküste der USA. Gar nicht unbedingt die klassischen Fotospots, aber natürlich auch - gerade in San Francisco und Kalifornien. Mich reizen vor allem die wilden Landschaften da oben im Norden, Richtung Seattle, Vancouver bis nach Kanada. Der Pacific Northwest, ein Traum! Na ja und natürlich Japan. Ich weiß, ich weiß - da wollen gerade alle hin oder sind bereits da gewesen. Ich habe es jetzt zwar zuletzt gesagt, aber das wäre vermutlich die nächste große Reise, wo es für mich hingeht. Meine Schwester war letztes Jahr dort und sie hat mir auch bestätigt, das ist einfach eine andere Welt dort. Die Menschen leben dort ganz anders, gehen anders miteinander um. Die Kultur und die Architektur, da interessiere ich mich sehr für.
wenn du dann bald in neapel bist, was wäre deine bevorzugte wahl aus kamera und film? deine liebste kombi, die universell einsetzbar ist.
Puh, definitiv meine Nikon FM2n. Das ist die Kamera, mit der ich am meisten fotografiere im Moment. Und filmtechnisch wäre es auf jeden Fall der Kodak Tri-X 400, der ist einfach mein Favorit unter den Schwarzweiß Filmen. Du brauchst ihn nicht pushen, der liefert ein tolles Schwarz und einen guten Kontrast. Einfach ein Klassiker, deswegen gibt es den vermutlich auch schon so lange. Beim Farbfilm wäre es wohl der Kodak Porta 800 - wenn der nicht so teuer wäre (lacht). Den Kodak Portra 400 mag ich auch, aber der kommt mir manchmal zu flach raus. Ach, und im Sommer habe ich auch fast nur den Kodak Gold 200 geschossen, der geht immer und ist auch günstiger.
gibt es etwas, worauf du besonders stolz bist?
Richtig cool waren bisher auf jeden Fall die beiden Ausstellungen, an denen ich teilnehmen konnte. Es war ein schönes Gefühl, das eigene Bild an der Wand hängen zu sehen. Das würde ich gerne in Zukunft weiterverfolgen wollen, dass man seine Arbeit auch außerhalb von Instagram zeigt, physisch. Vielleicht mal eine eigene, kleine Ausstellung. Stolz bin ich auch darauf, dass ich mich nicht mehr so stark von Trends beeinflussen lasse und mich über die Jahre weiterentwickelt habe, selbstbewusster geworden bin. Dass ich mich traue mal etwas anderes, als die klassischen Motive zu fotografieren. Ach ja und dadurch, dass ich hauptsächlich mit der Nikon FM2n fotografiere, kenne ich mich inzwischen sehr gut mit den manuellen Einstellungen beim Fotografieren aus. Das macht mich schon stolz, dass ich wenig Hilfsmittel brauche, um gute Fotos zu machen. Ach ja und ich bin happy darüber, dass ich endlich meine Website fertig bekommen habe, endlich (lacht). Jetzt fehlt nur noch der Printshop, dann kann es richtig losgehen.
das hört sich gut an! welches bild käme bestimmt in den printshop, weil es dein Favorit ist?
haus der kulturen der welt, berlin
Puh, das ist schwer. Auf so eine Frage war ich nicht vorbereitet (lacht). Eins meiner Favoriten ist auf jeden Fall ein Bild, das auch bei einer der Ausstellungen hing. Es ist das Bild vom Empire State Building. Das mag ich gerne - wegen dem Großstadtfeeling und der Komposition. Das ist das erste, was mir in den Sinn kommt. Es ist auch gar nicht unbedingt das Bild mit den meisten Likes bei Instagram, aber eines, mit dem ich mich persönlich verbunden fühle. An manchen Bildern hängt man emotional, bei anderen war es eine besonders schöne Szenerie. Beispielsweise zuletzt ein Bild, das hier in Schwerin im Schlosspark entstanden ist. Schwarzweiß, Statuen im Nebel, einfach eine mystische Stimmung. Ah, dann gibt es noch eins, das ist wiederum etwas älter. Da war ich in Berlin beim Haus der Kulturen der Welt, wo es ein kleines Café im Retro-Stil gibt. Das Café hatte geschlossen, aber die orangenen Stühle standen noch davor, von der Sonne geküsst. So simpel, aber doch so schön irgendwie. Da denke ich immer mal wider gerne dran.
und weil auch einem professionellen fotografen hin und wieder missgeschicke passieren - möchtest du uns abschließend erzählen, worüber du dich zuletzt geärgert hast? wir hatten zum Beispiel eine kamera, da stand der zähler auf sechs aufnahmen. also haben wir den film fleißig zu ende geschossen, nur um dann festzustellen, es war doch kein film in der kamera.
Oh ja ärgerlich. Missgeschicke gibt es viele, ganz oft (lacht). Was mir eine Zeit lang immer wieder passiert ist: Du hast einen Film abgeknipst, dann aber nicht sofort zurückgespult. Du kommst nach Hause und machst erstmal die Rückwand auf. Scheiße. Wenn du schnell bist, sind nur die letzten zwei, drei Bilder betroffen - aber ärgerlich ist es trotzdem. Eigentlich habe ich mir jetzt angewöhnt, direkt zurückzuspulen .. oh, ich erinnere mich gerade an dieses eine Mal. Da saß eine ältere Frau auf einer Parkbank und hat geraucht. Das Motiv war so, so gut und ich hatte noch genau ein Bild auf der Rolle. Nach der Aufnahme war ich abgelenkt und daheim musste ich dann feststellen - Film noch nicht zurückgespult. Dabei hatte ich es mir ja vorgenommen! Na ja, das Bild ist dann leider nicht so gut geworden wie ich es mir vorgestellt hatte.
vielen dank für deine ehrlichen worte, den spannenden austausch und deine zeit!
Alle Fotos wurden uns freundlicherweise von Paddy zur Verfügung gestellt.